Seit einigen Tagen pfeifen es die Spatzen vom Dach – und das beinahe bei jedem großen Haus. Die Windows Phone Plattform sei tot – so die einschlägige Meinung zahlreicher Medien. Noch nicht einmal zu den lebenden großen Zwei aufgeschlossen und doch wünscht man sich wohl, es möge doch endlich vorbei sein.
Eine scheinbar allzu schnelle vertretende Aussage von Redakteuren, Journalisten und Fachreportern über die mobile Windows Plattform springt einem wahrlich ins Auge beim Anblick der Schlagzeilen. Dabei steht sich eigentlich seit Jahren nur einer selbst im Weg zum Erfolg. Verschlafen wie ein Partygirl am Montagfrüh nach einer Wochenlangen Fette und langsam wie ein Rentner, der 100 Stockwerke zu Fuß emporsteigen muss – so geht es schrittweise in Richtung Untergang. Dabei könnte es eigentlich besser sein…
Rein vom Kernsystem betrachtet ist die jüngste mobile Plattform den anderen in vielen Angelegenheiten sehr weit voraus. Windows Phone ist und bleibt von der Architektur gut konstruiert. Die notwendigen Ressourcen sind praktisch immer vorhanden und böses Gedankengut technisch bedingt nicht möglich. Es reicht ein einfacher einzelner Prozessor. Das ist doch toll in der neuen grünen Welt, die die Ressourcen der Erde schonen möchte, oder?
Der Markt verlangt aber bereits nach doppelten Prozessoren. Die Werbung (sei Dank) hat gewirkt um den Bedarf nach weiteren (neuen) Geräten eben mit doppelten Prozessoren zu ermöglichen. Da wirken die Top-Geräte der neuen Plattform ja gerade altbacken und überholt. Die können ja gar nicht gut sein. Und die Architektur muss ja schlecht sein – lassen die doch viele Anpassungen und Tricksereien nicht zu. Das diese fehlenden Tricksereien zum Schutz vor Schadsoftware dienen, bleibt unerwähnt. So ähnlich könnte man die Einführung von Windows Phone bezeichnen.
Klar ist, es fehlten mit Sicherheit Funktionen die der Markt wohl auch durch die Werbung zum Standard gemacht haben. Da haben entsprechende (Test-) Berichte aus deren strategischer Sicht alles richtig gemacht. Das schlechte Windows Phone 7…
…und doch hat es meiner Meinung nach vieles besser gemacht als iOS und Android zusammen.
Über Design lässt sich streiten. Aber die Kacheln sind in vielen Fällen nur deshalb schlecht, weil es Microsoft eingeführt hat. Ich bin mir sicher: Hätte dies eine der anderen Plattformen – vielleicht nur eine Bestimmte entsprechend eingeführt, dann wäre diese Hipp, Modern und der letzte Schrei gewesen. Fans verzeiht, aber oberflächlich betrachtet ist das iPhone seit vielen Jahren ein und das selbe Gerät mit dem ein und demselben System. Wie schon ein Kabarett mit Michael Niavarani lachend hervorbrachte: Unterschied zwischen iPhone 3, 4 und 5 ist für den Normalbenutzer unbekannt. Trotzdem wird mit jeder neuen Generation mehr als mit der vorherigen eingenommen.
Ist das iPhone ein altbackenes Gerät? Ist Android ein virenverseuchter Ressourcenfresser? Ist Windows Phone ein Kachelquatsch?
Der Mensch neigt zur oberflächlichen Bewertung – das Auge gibt oft den entscheidenden Ausschlag. Ebenso neigt der Mensch zur fortlaufenden Gleichheit und jeder Versuch zur Änderung, die Anstrengung für einen Blick auf Neues wird abgestraft. Da will Microsoft eine Evolution hervorbringen – dem Markt, dem Benutzer eine neue Möglichkeit bieten – es anders machen als seit Jahren verfügbares und als Ergebnis gibt es Strafen. Diese nicht mit Gefängnis oder Geldbusen zu begleichen, sondern mit Bashing, negativen Berichten, fehlendem Interesse und fernbleibenden Erfolg.
Da könnte man glauben, Microsoft ist lernresistent. Nein, nicht mit dem Stopp für die weitere Entwicklung einer mobilen Plattform. Das Problem liegt vielfach in der Kommunikation. Vielfach aber nicht mit Fans, Bekennern, langjährigen Nutzern. Nein, mit dem Markt – mit der Werbeindustrie – mit den neuen Benutzern. Sozusagen Resistent mit dem Umgang mit der Präsentation oder Auftreten.
Es gab und gibt Nachteile bei der Windows Phone Plattform. Vieles hat sich mit der Zeit verbessert. Nutzer wurden angehört und Verbesserungen integriert. Teilweise wurden Alleinstellungsmerkmale geschaffen, die der Markt begonnen hat zu fordern und trotzdem wird das andauernde Scheitern immer und immer wieder in den Medien angeführt. Klar sind darunter absolute Hasser zu finden. Genauso sind darunter (uninformierte) Journalisten, die entsprechend (un) überlegt aufgrund von bestimmten Fakten darauf schließen möchten. Daran ist im Grunde nichts auszusetzen. Zumindest nicht bei den Journalisten.
Das wiederholte Auftreten solcher Meldungen war schon bei Windows Mobile, bei der Vorgängerplattform von Windows Phone, zu finden. Dabei ist aber Microsoft dabei nicht das einzige Opfer solcher Meldung. Wie oft ich mittlerweile schon gelesen oder gehört habe, dass der PC tot ist oder dass die Konsolen die neue Spieleplattform sind. Naja…
Dabei könnte Microsoft dem schnell und einfach ein Ende bereiten. Die Kommunikation ist das entscheidende Mittel der Wahl. Ein klar und deutliches: „Windows Phone lebt!“ würde wahre Wunder bewirken. Natürlich unterstellt mit entsprechenden Ausblick auf die Zukunft (die dann aber auch Taten bringen sollte). Zu oft ist es im Hause Microsoft recht kurzfristig Drunter und Drüber mit der einen oder anderen Technologie gegangen. Kontinuität ist da fehl am Platz. Da ist das neue Produkt am Markt angekommen, hat man schon wieder selbst das Produkt vergessen und neue Kunden stehen Nass im Regen. Etwaige erwähnte Alleinstellungsmerkmale bei möglichen Nachfolgeversionen deaktiviert, ausgebaut, vergessen, ignoriert und verleugnet.
Der Wechsel des Führungspersonals war nicht weniger vorteilhaft. Eigentlich wussten nicht einmal mehr Fans oder Bekenner was nun Sache ist oder wie der Weg weitergeht. Die Kommunikation eigentlich trotz Feedbackmöglichkeiten schlechter als zuvor. Besonders die letzten Monate wirkten wie ein (langsames) herumstochern in einer offenen Herzoperation. Wenn eigene Software auf Konkurrenz-Plattformen schneller, besser und langfristiger erscheinen, dann sagt dies schon einiges aus. An sich nicht im Grunde schlecht, wenn es die Summe aller drei Faktoren geben würde. Probleme können entstehen, Verzögerungen passieren, aber Offenheit bringt Klarheiten. Das würde Windows Phone 10 durchaus helfen.
Der erfolgreiche Untergang als mögliches Ziel ist vielfach durch Microsoft selbst hervorgerufen worden. Dabei würde eine starke dritte Plattform dem Markt guttun. In einigen Gesichtspunkten wäre dies sogar für Apple und Google ein Vorteil. Die Chancen wären vorhanden und selbst stark verspätet durchaus noch nutzbar. Ich würde dies (noch) immer Microsoft zutrauen. Aber da müssten die Zahnräder bis zum Anschlag auf Vollgas gehen. Und das selbst bis zum kleinsten Rädchen, was wohl bei einem trägen, mitzuschleppenden Pendel durchaus Problematisch werden könnte. Die vereinheitlichte Windows Plattform hätte über alle Architekturen hinweg Potential und Nachteile könnten intern umgangen werden.
Der Spruch Software verkauft Hardware ist bei Technologien der letzten Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte zu finden – sofern man Software etwas weitläufiger auffasst. Jedenfalls plagt Windows Phone seit dem Start das Henne / Ei Problem. Bestimmte Software – ala Apps – fehlen hier und da – Entwickler meiden die Plattformen da die Nutzerbasis zu gering ist – Käufer bleiben aus, weil die Software fehlt. Dabei kann eine Lösung dafür doch so einfach sein.
Nein, Universal-Apps sind keine Lösung – zumindest keine kurzfristigen. Und womöglich in der aktuellen Art und Weise auch keine langfristigen. Microsoft ist geschichtlich gesehen ein Softwareentwickler und der entwickelt eben Software. Das muss oberflächlich betrachtet sehr gut gelaufen sein, sonst wäre Windows und Office nicht dort wo es jetzt ist. Strukturen wie Exchange und Lync / Skype for Business zeigen Vorzüge und genutzte Chancen, aber auch zugleich eigene herbeigeführte Stolpersteine. Wie oft kann man ein Produkt denn umbenennen? Nur mal so am Rande erwähnt 😉 .
Fehlende Apps könnten leicht und schnell zur Verfügung gestellt werden. Ressourcen wären in Form von Personal und Kapital vorhanden. Aber es darf dann nicht bei Version 0.9(999…) stecken bleiben und selbst Version 1 ist kein Abschluss. Die fortlaufende Entwicklung ein Muss. Es erwartet niemand in allen Fällen einen ständigen Sprung der großen Nummern, auch wenn uns, dass der eine oder andere Webbrowser klarmachen möchte. Auch kleine Schritte können Entzügen und Liebe entfachen. Wie toll war es unter Windows Phone 7, als entsprechende Webdienste (Facebook, Twitter) ins System im Form des Kontakte- bzw. Ich-Hub integriert war. Es machte vieles einfacher, intuitiver und zeitsparender. Look & Feeling einheitlich. Alleinstellungsmerkmal mit Nachfolgemodell verworfen und das Ergebnis: zu viele neue Apps unterschiedlicher Entwickler, zahlreiche unterschiedliche Stellen für Einstellungen und Neuigkeiten, erhöhter Ressourcenbedarf und ungleicher Look & Feeling.
Dass die Zahnräder sich schnell und gemeinsam drehen können zeigte ein anderer Fall, der eigentlich aus einem selbst gelegten Stolperstein aufgrund fehlender oder fehlerhafter Kommunikation entstanden ist. Ich meine die erste Präsentation der Xbox One. Die digitale Revolution z.B. in Form des Verleihs von digitalen Daten hätte dem Softwaremarkt einen guten Schupser gebracht. Leider wurde dies strategisch von anderen ausgeschlachtet und gekonnt für deren positive Werbung genutzt. Dabei hätte dies entsprechend kommuniziert auch anders sein können. Jedenfalls wurde danach eine 180° Wendung vollzogen und in Rekordtempo alles Mögliche in Kurzer Zeit abgeändert. Daneben zeigt die Xbox One einen weiteren Beweis, dass es gehen kann. Die Einführung der Emulation der Xbox 360 auf Xbox One ist wahrlich ein Meisterweg von Ingenieuren bzw. Softwareentwicklern. Man kann also sehr wohl unmögliches wahrmachen.
Was bedeutet dies nun für Windows Phone bzw. Windows Phone 10? Solange kein „Ihr könnt uns alle mal“ gefolgt von „Wir halten an Windows Phone (10) fest – nicht (nur) weil die Fans es wollen – sondern weil wir können und (für die Fans) wollen“ kommt, wird es mit der Todeshymne für die mobile Plattform durch die Medien weitergehen. Da kann sich der eine oder andere bislang aktive externe Softwareentwickler schon mal die Angelegenheit anders überlegen und weitere Entwicklung verzögern oder gar abbrechen. Von neuen Entwicklern kann dann keine Rede mehr sein.
Verstaubende Apps sind ähnlich wie eine sich nicht änderte Webseite – nämlich tot. Und das wäre schade. Eine Klarstellung einer Weiterführung wäre wünschenswert – nicht, weil ich Nutzer von Windows Phone bin oder die Plattform Vorteile für meinen beruflichen und privaten Nutzungsgrad bringt, sondern weil es der Markt brauchen würde.
Leider bewirkt fehlende und unklare Kommunikation das gleiche wie verstaubte Apps und starre Webseiten. Ich glaube jedenfalls noch nicht an ein Ende 🙂 . Dies könnte man natürlich als eine Art Klammern an einen Strohhalm bezeichnen, aber mit dieser Meinung bin nicht nur ich, wie folgender Tweet zeigt:
PS.: Achja, kurz zur Überschrift ein paar Worte. Allein aus dem Absatzzahlen herauslesen, Windows Phone wäre tot, ist etwas kurzsichtig. Genauso hätte man schreiben können: “Kunden warten auf das neue Betriebssystem – wann kommt Windows Phone 10?”. Aktuell ist Windows Phone jedenfalls sehr in den Medien vertreten – mehr als die anderen und damit gefragter?
Update 06.04.2016:
Mittlerweile wurde bestätigt, dass Windows Phone bzw. Windows 10 Mobile nicht aufgegeben wird.
Via Interview mit Microsoft Vice President Kevin Gallo während der Microsoft Entwicklerkonferenz (BUILD 2016) wurde dies entsprechend beantwortet und kann bei Dr. Windows im Artikel Microsoft wird Windows 10 Mobile “definitiv nicht” aufgeben nachgelesen werden. Besser wäre eine eindeutig Pressemeldung, aber im Grunde reicht dies und sollte zumindest viele Totbeschwörer abberufen. Leider ist laut Artikel nicht so schnell mit neuer Hardware zu rechnen. Herr Martin Geuß von Dr. Windows spricht von 2017, was mich persönlich nicht stören würde. Gute Hardware braucht Zeit für die Entwicklung.